Langfristiger Leistungsaufbau
Die Erfahrung zeigt, dass der Weg vom Einstieg in das systematische Leistungstraining bis zur Finalplatzierung bei den Olympischen Spielen etwa zehn Jahre dauert. Ausnahmesportler*innen können in Einzelfällen die internationale Spitze auch in einer kürzeren Zeit erreichen. Die altersspezifischen Anforderungsprofile in den einzelnen Trainingsetappen lassen sich in der folgenden Tabelle ablesen.
Hinweise zur Erstellung einer Jahresplanung
Der Rahmentrainingsplan dient als Ausgangspunkt für die Erstellung des Jahresplans durch den/die Trainer*in. Die Ziele, Inhalte und Umfänge müssen dabei auf die individuellen Voraussetzungen des/der Sportler*in oder der Sportler*innengruppe angepasst werden.
Zur Festlegung von Trainingsinhalten, -umfängen und -intensitäten empfiehlt sich eine Orientierung an Periodisierungen, wie sie in der Trainingslehre vorgestellt werden. Sie stellen sicher, dass das Training systematisch aufgebaut ist und eine maximale Effektivität aufweist. Unter Periodisierung wird die Einteilung des Trainingsjahres in Trainingsperioden sowie differenzierte inhaltliche Planung und Gestaltung dieser aufeinanderfolgenden Perioden mit dem Ziel der Herausbildung der sportlichen Leistungsfähigkeit bzw. der sportlichen Form verstanden. Im Hochleistungstraining und im Anschlusstraining ist das Ziel, eine optimale Wettkampfleistung zu erzielen. Das Periodisierungsschema ist dementsprechend ausgerichtet, um die optimale sportliche Form in einem oder mehreren Wettkämpfen gezielt zu erreichen. Diese Vorgehensweise beruht auf der Erkenntnis, dass die sportliche Form ein individueller und nur zeitweise stabiler Zustand der sportartspezifischen Leistungsfähigkeit darstellt. Im Hochleistungs- und im Anschlusstraining werden wettkampforientierte Periodisierungsschemata genutzt. Im Nachwuchsleistungssport, nämlich in der Grundausbildung, dem Grundlagentraining und dem Aufbautraining, steht nicht das Erreichen von Wettkampfleistungen im Vordergrund, sondern die Einführung in die Sportart Segeln/Surfen, eine umfassende Grundausbildung (AGA), die Entwicklung sportartspezifischer Grundlagen (GLT) sowie der Ausbau der Leistungsfähigkeit (ABT).
Ein wettkampforientiertes Periodisierungsschema würde im Nachwuchsleistungssport somit nicht den Zielen entsprechen. Stattdessen ist ein inhaltsorientiertes Periodisierungsschema für das Grundlagen- und Aufbautraining geeigneter.
Das Training in der Grundausbildung verläuft aufgrund der Zielsetzung weniger strukturiert. In der Praxis des Segelsports ist es wichtig zu betonen, dass Wettkämpfe im Nachwuchsleistungssport nur als Mittel zur Steigerung der Leistungsfähigkeit betrachtet werden sollten.
Sie sind jedoch niemals das eigentliche Ziel des Trainings. Im Folgenden werden sowohl wettkampforientierte als auch inhaltsorientierte Periodisierungsschemata beschrieben.
Wettkampforientierte Periodisierung des Anschluss- und Hochleistungstrainings
Das Anschluss- und Hochleistungstraining konzentriert sich im Gegensatz zur Grundausbildung, dem Grundlagentraining und dem Aufbautraining darauf, eine maximale Wettkampfleistung zu erreichen. Die entsprechenden Periodisierungsmodelle im Hochleistungssport basieren auch heute noch auf MATWEJEWS sportartunspezifischer Arbeit "Periodisierung des sportlichen Trainings" (1965). Er geht davon aus, dass Sportler eine erworbene sportliche Form phasisch erwerben und diese nicht kontinuierlich auf dem gleichen Niveau halten können. Zudem können sie diese Form nur über einen begrenzten Zeitraum halten und zeitweise auch wieder verlieren. Die sportliche Form erreicht bei einem mehrjährigen Trainingsprozess von Jahr zu Jahr ein immer höheres Niveau.
Im Hochleistungssport müssen Athleten eine sportliche Höchstform zu einem oder mehreren bestimmten Zeitpunkten erreichen. Zu bestimmten Zeitpunkten, welche als Wettkampfhöhepunkte oder Zielwettkämpfe bezeichnet werden, soll die Höchstleistung erbracht werden. Wenn das Training auf einen Jahreshöhepunkt ausgerichtet ist, spricht man von einer "eingipfligen" Periodisierung. Soll die Höchstform zu zwei oder mehr Zeitpunkten im Jahr erreicht werden, zum Beispiel wenn weitere Zielwettkämpfe auf der südlichen Hemisphäre stattfinden, so spricht man von "zwei- oder mehrgipfligen" Periodisierungen. Durch die Kenntnis der oben genannten Prinzipien wird angestrebt, die sportliche Form auf den Zielwettkampf bzw. die Zielwettkämpfe auszurichten. Die Steuerungsfaktoren für die Trainer*innen sind hierbei die Trainingsinhalte sowie die Trainingsbelastung, die u.a. von Belastungsumfang und -intensität beeinflusst wird.
Die Vorbereitungsperiode
Die Vorbereitungsperiode dient der Schaffung grundlegender konditioneller, technischer und taktischer Voraussetzungen für hohe sportliche Leistungen und Trainingsbelastungen während der Wettkampfperiode. Innerhalb dieser Phase werden drei Makrozyklen unterschieden: Der erste Makrozyklus widmet sich der Entwicklung einer allgemeinen Leistungsgrundlage. Die Trainingsinhalte sind dabei unspezifisch, aber die Trainingsbelastung ist mittel bis hoch angesiedelt. Im zweiten Makrozyklus werden vorrangige Leistungsindikatoren entwickelt. Die Trainingsinhalte sind gezielt und die Belastung ist hoch bis zur Erschöpfungsgrenze. Auch im dritten Makrozyklus ist die Belastung hoch bis zur Erschöpfungsgrenze. Seine Funktion besteht insbesondere in der Entwicklung spezifischer Leistungsindikatoren, die eng mit der Struktur der Wettkampfleistung verbunden sind.
Die Wettkampfperiode
Ziel dieser Periodisierung ist eine optimale Ausprägung sowie relative Stabilisierung der sportlichen Form. Dabei wird zwischen einem formbringenden und einem formerhaltenden Makrozyklus bei einer eingipfligen Periodisierung unterschieden. In diesen Zyklen stehen wettkampfnahe Trainingsinhalte und Vorbereitungswettkämpfe im Fokus, die im Sinne der Wettkampfmethode entweder formbringend oder formerhaltend eingesetzt werden. Dabei steigt die spezifische Belastungsintensität an, begleitet von einem geringfügigen Rückgang des Belastungsumfangs. Bei Periodisierungen mit mehreren Gipfelpunkten kann die Strukturierung je nach Zeitpunkt der Wettkämpfe komplexer werden. Es wird oft eine dreifache Unterteilung in Vorwettkampf-Makrozyklus, Wettkampfzwischen-Makrozyklus und Wettkampf-Makrozyklus vorgenommen. Inhalte und Belastungen der Vor- und Wettkampfperiode entsprechen der eingipfligen Periodisierung. Die Zwischenwettkampf-Periode beinhaltet generelle Inhalte bei mittlerer Belastungsintensität und relativ hohem Umfang.
Die Übergangsperiode
Die Übergangsperiode bietet dem Sportler eine aktive Erholungsphase, um einen vorübergehenden, geplanten Verlust der sportlichen Form zu überwinden. Dabei wird weitgehend auf sportartspezifische Trainingsinhalte verzichtet, während zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. "Sportartfremde" Trainingsübungen werden je nach den Bedürfnissen des Sportlers durchgeführt. Die Trainingsbelastung, insbesondere die Belastungsintensität, wird deutlich reduziert. Die Periodisierung nach hat sich auch im Segel- und Surfsport mit einigen Anpassungen bewährt.
Wettkampfstruktur
Das vorhandene nationale und internationale Wettkampfsystem hat einen bedeutenden Einfluss auf die Strukturen im Segelleistungssport. Das nationale Wettkampfsystem ist in den meisten Jugendbootsklassen und den vorolympischen Bootsklassen durch ein umfangreiches Angebot nationaler Wettkämpfe gekennzeichnet. Saisonbedingt beginnen die ersten Wettkämpfe im März. Von Mai bis September ist Hochsaison. Der langsame Ausklang erfolgt bis etwa November. Der Höhepunkt des nationalen Wettkampfsystems ist die Internationale Deutsche Meisterschaft bzw. die Deutsche Jugend-/Juniorenmeisterschaft.
In den neuen/ neueren olympischen Bootsklassen (Nacra 17, iQFOiL, Formula Kite) sind die nationalen Felder noch zu klein, um entsprechend qualitative Wettkämpfe durchführen zu können. Vor allem im Jugendbereich werden die nationalen Regatten für die Ausbildung und den Vergleich genutzt.
Ab dem Perspektivkader-Bereich muss aber eine mehr international ausgerichtete Orientierung erfolgen. Nur so können den Sportler*innen neben der notwendigen Wettkampfqualität auch die benötigten Flottengrößen sowie Wettkämpfe über das ganze Jahr hinweg geboten werden, die für eine zielgerichtete Leitungsentwicklung wichtig und notwendig sind.
Im den olympischen Bootsklassen hat sich das internationale Wettkampfsystem zunehmend zu einem Ganzjahresprogramm entwickelt. Wettkämpfe werden weltweit ausgetragen. Schwerpunktmäßig liegen die hochwertigen Wettkämpfe in Europa in den Monaten März bis Oktober, in den Monaten November bis Februar hingegen in dem arabischen Raum, in Asien, Australien und Amerika. Der Trend, dass die internationalen Spitzensegler*innen zunehmend ganzjährig weltweit an Wettkämpfen teilnehmen, ist weiter zu verzeichnen und setzt sich fort.
Für die Trainer*innen besteht dadurch in der Periodisierung eine besondere Herausforderung, insbesondere in der Planung ausreichender Erholungsphasen, um die ganzjährige Wettkampfsaison zielgerichtet und erfolgsbringend zu gestalten und mit ihren Sportler*innen umzusetzen.
Die Ausrichtung der Welt- und Europameisterschaften variiert sowohl terminlich als auch vom Austragungsort, so dass die Saisonplanungen von Jahr zu Jahr auf den jeweiligen Saisonhöhepunkt organisatorisch und logistisch angepasst werden müssen. Die Termine der Welt- und Europameisterschaften stehen, sobald sie offiziell bestätigt sind, auf den Internetseiten des DSV jeweils aktuell bereit.
Nachwuchsförderung
Sportartspezifische Talentsicherung und Talentförderung
Bis einschließlich der Altersklasse 14 erfolgt die Talentsichtung durch die Landesseglerverbände in Form von Sichtungslehrgängen, teils auch in Form von Vielseitigkeitswettkämpfen und auf Basis von Auswertungen der Wettkampfergebnisse. Ab 2023 findet bundesweit ein einheitlicher Vielseitigkeitswettkampf für den Altersbereich Altersklassen 13 – 15 mit zentraler Erfassung der Ergebnisse statt.
Ab Alterklasse 15 führt der DSV zentrale Sichtungen für den Einhand- und Zweihandbereich und die Board-Disziplinen am BSP Kiel durch. Die Einladungen zu den Sichtungslehrgängen basieren auf Ergebnissen bei zuvor festgelegten Regatten und Wettkämpfen sowie auf den Perspektiven der Sportler*innen ( https://www.dsv.org/segeln/olympisches-segeln/ „Wettkampfleistung für vorolympische Kader (U18)“ und „Wettkampfleistung für olympische Kader“).
Inhaltlich werden bei der Sichtung am BSP Kiel folgende Schwerpunkte gesetzt:
• Vermittlung wichtiger Informationen zu dem DSV-Leistungssportsystem
• Durchführung individueller Perspektivplanungsgespräche mit den Sportler*innen, dem Bundesnachwuchstrainer, dem/der jeweiligen Bundestrainer*in Nachwuchs, dem jeweiligen Landestrainer, einer/einem Sportpsycholog*in sowie dem/der Aktivensprecher*in oder einem/einer erfahrenen Bundeskadersegler*in
• Info- und Beratungsrunden für unterschiedliche Zielgruppen
• Athletiküberprüfungen in Form allgemeiner und disziplinspezifischer Tests
• Überprüfung der segeltheoretischen Kenntnisse (standardisierter Bundesvergleich)
• Sportpsychologischer Fragebogen sowie deren Auswertung in Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam
Die Sichtungslehrgänge werden unter dem Fokus der Talentidentifikation vom Zentrum für praktische Sportpsychologie (ZPS) ausgewertet. Darüber hinaus werden den teilnehmenden Sportler*innen in persönlichen Entwicklungsgesprächen individuelle Potentiale und Perspektiven aufgezeigt.
Hinweis zu den Altersangaben
An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass die Leistungsentwicklung im Kinder- und Jugendalter aus vielseitigen Gründen (geschlechterabhängig, anatomisch, neuronal, motorisch, hormonell etc.) individuell unterschiedlich verläuft. Die gemachten Altersangaben - beispielsweise zu den einzelnen Trainingsetappen - sind daher als allgemeine Richtwerte zu verstehen und können individuell variieren.